Publikation –

16.2.2021

Corona-Impfstoff als rechtliche Herausforderung für Arbeitgeber

Die Genehmigung erster Impfstoffe gegen Sars-Cov-2 (darunter das Pharmaunternehmen BioNTech/Pfizer, AstraZeneca und Moderna) und stetig sinkende Fallzahlen sind auch für viele Arbeitgeber ein Lichtblick im Kampf gegen das Corona-Virus und wecken die Hoffnung, bald zum Vor-Corona-Alltag zurückkehren zu können.

Der Start der schrittweisen Impf-Kampagne stellt, inmitten von Lockdown bedingten Existenzängsten und Kurzarbeit, auch Unternehmen sowie Beschäftigte eine baldige Rückkehr zu einem geregelten betrieblichen Alltag in Aussicht.

Für Arbeitgeber entpuppt sich das langersehnte Hochfahren des Betriebs, zumindest aus arbeitsrechtlicher Sicht, jedoch als Fluch und Segen zugleich. Gerade im Pflegesektor und medizinischen Bereich tun sich für Arbeitgeber zahlreiche arbeitsrechtliche Probleme im Kontext der Corona-Impfung auf. Zusammengefasst heißt die Frage häufig: Was darf ich in Sachen Impfstoff von meinen Mitarbeitern verlangen? Welche arbeits- und gesundheitsschutzrechtlichen Bestimmungen müssen beachtet werden?

Können Arbeitgeber eine Impfung einseitig anordnen?

Ziffer 1 Abs. 2 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregelung, die durch die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (CoVArbSch) ergänzt wird - wir berichteten über diese in unserem Blogbeitrag „Arbeitgeber aufgepasst– SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) verschärft“ - verpflichtet Arbeitgeber, alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung von Infektionen und Verbreitung des Coronavirus im Betrieb und zur Unterbrechung von Infektionsketten zu treffen. Verständlicherweise tendieren gerade Arbeitgeber, v. a. im Gesundheits- und Pflegesektor, dazu, von ihren Mitarbeitern eine Corona-Impfung als Beschäftigungsvoraussetzung zu verlangen. Hier ist jedoch Vorsicht geboten: Angesichts des grundrechtsrelevanten Eingriffscharakters und mangels einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage wäre aktuell eine arbeitgeberseitige Impf-Anordnung unzulässig. Dies gilt auch für die in der Politik diskutierte selektive Pflicht zur Vakzination für Personen - und Berufsgruppen mit besonders hoher Ansteckungs - und Infektionsrisiken (vulnerable Personengruppen), solange der Gesetzgeber nicht aktiv wird.

Möglich ist es jedoch als Arbeitgeber – unter Beteiligung des Betriebsrats, falls ein solcher besteht - durch eine Impf-Incentivierung, beispielsweise in Form von entsprechenden Impfprämien oder Gewährung von Sonderurlaub, Anreize innerhalb der Belegschaft zu schaffen und so Mitarbeiter zu einer Impfung zu motivieren. Gerade die enge Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat als Sprachrohr und Vermittler zur Belegschaft ist hier besonders wichtig, um die entsprechende Akzeptanz auf Arbeitnehmerseite herzustellen. Zudem ist anzuraten, die Prämie vom Nachweis einer erfolgten Corona-Impfung abhängig zu machen.

Update: Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, wir berichtet über diese bereits im Beitrag "Auf welche neuen Corona-Regeln müssen sich Arbeitgeber für 2021 einstellen?" wurde zuletzt am 22.02.2021 aktualisiert. Dies trägt v.a. der erweiterten Schutzformel „AHA*L“ Rechnung, der Abschnitt „Lüftung“ wurde also überarbeitet, zudem wurden klarstellende redaktionelle Änderungen vorgenommen.

Maskenpflicht

Anders verhält es sich hingegen bei weniger intensiven Maßnahmen, wie bspw. der Anordnung einer Maskenpflicht. So entschied jüngst das Arbeitsgericht Siegburg (ArbG Siegburg, Urteil vom 16.12.2020, Az. 4 Ga 18/20), dass eine Maskenpflicht selbst in Fällen, in denen ein Arbeitnehmer aus medizinischer Indikation und entsprechenden ärztlichen Attesten keine Mund-Nasen-Bedeckung o. ä. tragen muss, der Schutz der übrigen Mitarbeiter oder etwa Kunden und Besucher vor einer potentiellen Infektion das Beschäftigungsinteresse des Einzelnen überwiegen. In der besonderen Pandemiezeit können Arbeitgeber folglich Masken-Verweigerer „aussperren“. Etwas anderes gilt jedoch, wenn das ärztliche Attest konkret und nachvollziehbar darlegt, warum die Maskenpflicht nicht eingehalten werden kann.

In letzterem Fall hat der Arbeitgeber aber womöglich keinen Arbeitsplatz, an dem der Mitarbeiter ohne Einhaltung der im Unternehmen geltenden Maskenpflicht eingesetzt werden kann. Der Arbeitnehmer ist nicht arbeitsunfähig erkrankt. Er kann aktuell nicht eingesetzt werden und erhält für diesen Zeitraum auch kein Entgelt.

Corona-Test und Zutrittsrecht zum Betrieb

Kommt eine generelle Impf-Anordnung qua Direktionsrecht somit nicht in Betracht, werden sich viele Arbeitgeber nun fragen, ob wenigstens Corona-Tests durchgeführt werden können, um die Weiterführung der Betriebsabläufe sicherzustellen und die Verhinderung von Ansteckungen im Betrieb zu verhindern. Diese Problematik beschäftigte kürzlich auch das ArbG Offenbach (ArbG Offenbach, Urt. v. 04.02.2021- 4 Ga 1/21). Fraglich ist in diesen Konstellationen stets, ob Arbeitgeber Mitarbeitern, die einen Corona-Test beim Betreten des Betriebs ablehnen, den Zutritt zum Betrieb verweigern bzw. den Zutritt von einem negativen Corona-Test abhängig machen dürfen. Immerhin sind Arbeitgeber nach Ziffer 3.2.11 CoVArbSchV gehalten, Arbeitnehmer mit Symptomen bzw. bei Verdachtsfällen unverzüglichen zum Verlassen des Betriebs und ggf. Aufsuchen einer Ärztin bzw. eines Arztes aufzufordern. Zudem sind Arbeitgeber aufgrund ihrer besonderen Fürsorgepflicht (§§ 611a, 618, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 3 ff. ArbSchG) verpflichtet, ihre Arbeitnehmer vor Gesundheitsgefahren zu schützen.  

Vor diesem Hintergrund gilt: Ähnlich wie eine Fiebermessung stellt eine Corona-Test (PCR-Test) einerseits einen sog. intensiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter dar, andererseits werden bei diesem Vorgang sensible Gesundheitsdaten erhoben. Dies ist arbeits- und datenschutzrechtlich jedoch nur dann zulässig, wenn ein besonderes berechtigtes Interesse des Arbeitgebers (Aufrechterhaltung des Betriebs und Gesundheit der Mitarbeiter) besteht, welches das Persönlichkeitsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. Für sensible Gesundheitsdaten (Art. 9 DSGVO) gilt dabei, dass eine Verarbeitung (hier also das Auswerten des Corona-Tests) zulässig ist, wenn sie für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit erforderlich ist.

Eine solche Erforderlichkeit lässt sich angesichts des hohen Infektionsrisikos, insbesondere bei hohem Kontakt mit vulnerablen Gruppen oder der Gefahr eines „Superspreaders“ mit guten Gründen vertreten. Arbeiten beispielsweise in einem großen Betrieb eine Vielzahl an Arbeitnehmern – trotz Sicherheitsabständen – auf begrenztem Raum zusammen, sodass sich Kontakte nicht ausschließen lassen, besteht die konkrete Gefahr, dass ein einzelner Infizierter eine Kette an Folgeinfizierungen lostreten kann. Ähnlich fällt die Interessenabwägung wohl aus, wenn sich Arbeitnehmer nachweislich in Risikogebieten mit extrem hohen Inzidenzwerten aufhielten. Im Ergebnis spricht daher vieles dafür, dass Arbeitgeber einen entsprechenden Corona-Test anordnen dürfen.

Der Arbeitnehmer müsste dem Arbeitgeber sowieso auch im Rahmen der Coronavirus-Pandemie eine ansteckende Erkrankung melden. Dem Arbeitgeber ist jedenfalls zu empfehlen, sich vor Durchführung eines Corona-Tests von den Mitarbeitern eine „Aufklärungs- und Einverständniserklärung“ unterzeichnen zu lassen, sodass die Einwilligung dokumentiert und der Datenschutz gewahrt ist.

Nicht zu vergessen ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und die daher vorherige erforderliche Beteiligung der Arbeitnehmervertretung. Maßnahmen des Arbeitsschutzes werden durch den Betriebsrat gem. §§ 80 Abs. 1 Nr. 1 und 9, 89 BetrVG überwacht. Gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen, wenn das sogenannte Ordnungs- und Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betroffen ist. Bei kostenlosen Tests könnte zudem § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG einschlägig sein (Fragen der Lohngestaltung).

Haftung bei Verletzungen

Wer haftet, wenn ein Mitarbeiter durch den Corona-Test verletzt wird?

Zu empfehlen ist sicherlich die Durchführung des Tests durch den Betriebsarzt – auch ein externer Arzt kommt hier in Betracht. Sollte ein Arbeitgeber selbst Tests durchführen wollen, müsste die Kraft hierfür zumindest geschult sein. Steckt sich die Gesundheitsfachkraft beim Testen der Mitarbeiter an, dürfte das die Berufsunfallversicherung tragen. Es dürfte hier von einer Berufskrankheit auszugehen sein. Schwierig könnte der Nachweis werden, wann die Ansteckung erfolgt ist. Im privaten Bereich wäre die Krankenversicherung zuständig. Der Arbeitgeber hat hier auch eine Überwachungspflicht (neben der Auswahl). Wird der Arbeitnehmer mit dem Teststäbchen verletzt, haftet der Arbeitgeber gem. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Gesundheitsfachkraft hätte dem Arbeitgeber gegenüber einen Freistellungsanspruch. Der Arbeitgeber sollte daher dringlich, zieht er eine Testung durch eine eigene Gesundheitsfachkraft in Betracht, zunächst eine etwaige Zusatzversicherung prüfen.

Bei der Impfung hat der Arbeitgeber – lässt er sie durch seine Gesundheitsfachkraft, wie etwa einer Krankenschwester oder einem Pfleger durchführen – wiederum die Auswahl- und Überwachungspflicht. Hier gelten die gleichen Grundsätze wie beim Corona-Test. Den Arbeitgeber treffen Aufklärungspflichten, auch Nebenwirkungen oder Folgeschäden können auftreten. Wir empfehlen Arbeitgebern daher, einen Arzt mit der Impfung zu beauftragen (sollte hier von der Belegschaft nicht schon ein Impfzentrum in Anspruch genommen werden).

Darf ein Arbeitgeber fragen, ob sich ein Arbeitnehmer geimpft hat?

In den meisten Fällen (zumindest sofern keine vulnerablen Gruppen gem. § 2 Nr. 2ff CoronaImpfV betroffen sind) besteht, wie ausgeführt, keine Impfpflicht. Dann darf der Arbeitgeber auch keinen Nachweis einer Impfung verlangen. Der Nachweis ist nicht erforderlich zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses, schon die allgemeinen Voraussetzungen für eine Datenverarbeitung liegen daher nicht vor. Die Gesundheitsdaten der Belegschaft sind besonders geschützt. Ein geimpfter Mitarbeiter kann trotzdem infiziert sein, es besteht zumindest eine Gefahr für andere Personen. Der geltende Datenschutz erlaubt dem Arbeitgeber also unserer Ansicht nach nicht die Datenverarbeitung eines Impfnachweises. Weder durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag noch resultierend aus einer Treuepflicht wird man hiervon abweichen können. Anders ist die Lage bezüglich des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes zu beurteilen.

Arbeitsrechtliche Maßnahmen bei „Impfverweigerern“

Nach alledem stellt sich abschließend die Frage, wie Arbeitgeber mit „Impfverweigerern“ umgehen können.

Arbeitsrechtliche Maßnahmen, wie bspw. eine Ermahnung, Abmahnung oder gar eine Kündigung, wegen der Weigerung, sich impfen zu lassen, sind in jedem Fall unzulässig. Im Gesundheits- und Pflegesektor muss jedoch berücksichtigt werden, dass Arbeitgeber die Möglichkeit haben – unter Umständen sogar auf Druck von Patienten und Angehörigen – das Anforderungsprofil dahingehend anzupassen, dass zukünftig für die Erfüllung der anfallenden Tätigkeiten eine Impfung vorausgesetzt wird. In diesem Fall kommt, nach vorangegangener Ermahnung und/oder Abmahnung, eine personenbedingte Kündigung unter Wahrung der Kündigungsfrist wegen des Wegfalls der persönlichen Eignung des betroffenen Mitarbeiters in Betracht, da dieser nicht mehr vertragsgemäß beschäftigt werden könnte. Vor dem Ausspruch einer solchen Kündigung müsste jedoch geprüft werden, ob nicht eine alternative, anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht und der Arbeitnehmer mit einer anderen Tätigkeit betraut werden kann, die einen Impfschutz nicht voraussetzt. Der Arbeitgeber wird sich aber beim aktuellen Fachkräftemangel fragen, ob nicht notfalls eine modifizierte Einsatzmöglichkeit in Betracht kommt.

Kann der Arbeitgeber eine Erforderlichkeit nachweisen und verlangt als Zutrittsvoraussetzung zu seinem Betrieb einen negativen Corona-Test, stellt die Nichtbefolgung eines Arbeitnehmers ein nicht ordnungsgemäßes Anbieten seiner Arbeitsleistung dar. In diesem Fall verliert er seinen Vergütungsanspruch.

Fazit und Beraterhinweis

Solange der Gesetzgeber nicht aktiv wird, ist eine einseitige, arbeitgeberseitige Impf-Anordnung aktuell unwirksam. Weniger grundrechtsintensive Maßnahmen, wie etwa eine Masken-Pflicht, das Fiebermessen vor Betreten des Betriebs oder aber ein negativer Corona-Test können im Einzelfall, gerade bei hohem Kontakt mit vulnerablen Personengruppen, zulässig sein.

Da in allen denkbaren Konstellationen sensible Gesundheitsdaten der Mitarbeiter verarbeitet werden, müssen Arbeitgeber für ein ausreichendes datenschutzrechtliches Setup sorgen und allgemeine datenschutzrechtliche Grundsätze, wie Datenminimierung und-sparsamkeit, Zweckbindung, Zugriffs- und Löschkonzepte oder Need-to-know-Prinzip, zwingend beachten.

Soweit eine Arbeitnehmervertretung besteht, ist diese nicht nur zwingend bei der Planung solcher Maßnahmen zu beteiligen. Es ist dringend zu empfehlen eine „Pandemie-Regelung“ (Betriebs-/Dienstvereinbarung) zu erarbeiten, gerade im Hinblick ein Hochfahren (Ramp Up) des Betriebs nach dem Ende der Lock-Down-Beschränkungen. Typische Regelungspunkte sind Regelungen zu folgenden Themen aufzunehmen:

-      Hygiene- und Gesundheitskonzept am Arbeitsplatz,

-      Präventionsmaßnahmen zur Eindämmung und Begrenzung des Infektionsrisikos,

-      Impf-Incentivierung,

-      Home/Mobile-Office (New Work – Regelungen)

-      „Atmender“ bzw. flexibler Arbeitseinsatz und Arbeitszeitregelungen

-      Datenschutzregelungen

Gerne beraten wir Sie im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Fragen rund um das Thema Impfung am Arbeitsplatz sowie der Ausarbeitung eines geeigneten „Pandemie-Konzepts“ in Ihrem Betrieb.

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Maren HabelMaren Habel

Fachanwältin für Arbeitsrecht,
Rechtsanwältin, Partnerin

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