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5.1.2022

Virtuelle Gesellschafterversammlungen in der Pandemie

Das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (COVMG) wurde bis zum 31. August 2022 verlängert.

Die Beschlussfassung in Gesellschaften erfolgt in der Regel auf Gesellschafterversammlungen, bei welchen die Gesellschafter körperlich anwesend sind. Die weiter anhaltenden Einschränkungen durch die Corona-Pandemie erschweren die Durchführung von Gesellschafterversammlungen in Präsenz. Immer mehr Gesellschaften entscheiden sich daher für virtuelle Gesellschafterversammlungen, die ein einfaches und flexibles Zusammenkommen der Gesellschafter ermöglichen sollen. Bei der Durchführung von virtuellen Gesellschafterversammlungen sind indes einige Grundregeln zu beachten.

A. Welche Voraussetzungen müssen für eine virtuelle Gesellschafterversammlung vorliegen?

1. Aktiengesellschaft

Ungeachtet einer satzungsmäßigen Eröffnung für virtuelle Hauptversammlungen, erlaubt das COVMG dem Vorstand, zu entscheiden, dass die Hauptversammlung ohne physische Präsenz als virtuelle Versammlung abgehalten wird. Dies gilt sowohl für die ordentliche Jahreshauptversammlung als auch für außerordentliche Hauptversammlungen. Der Aufsichtsrat muss der Entscheidung des Vorstands zur virtuellen Hauptversammlung zustimmen.

Technisch müssen folgende Voraussetzungen eingehalten werden:

  • die gesamte Versammlung wird in Bild und Ton übertragen,
  • die Stimmrechtsausübung der Aktionäre sowie die Vollmachtserteilung wird über elektronische Kommunikation ermöglicht,
  • den Aktionären wird ein Fragerecht im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt,
  • den Aktionären, die ihr Stimmrecht über elektronische Kommunikation ausgeübt haben, erhalten eine Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung.

2. GmbH

Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung sieht das COVMG keine Erleichterungen zur virtuellen Gesellschafterversammlung vor. Es sind auf Grundlage des COVMG weder Videokonferenzen noch Telefonschalten für die Gesellschafterversammlung bzw. Beschlussfassung zulässig.

Eine virtuelle Gesellschafterversammlung wird ausschließlich durch eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag ermöglicht. Selbst bei Zustimmung aller Gesellschafter zu einer virtuellen Gesellschafterversammlung bleibt den Gesellschaftern dieser Weg ohne gesellschaftsvertragliche Grundlage verschlossen. Den Gesellschaftern bleibt nur die Möglichkeit des Umlaufbeschlussverfahrens.

Für die Zulässigkeit des Umlaufverfahrens sieht das COVMG jedoch Erleichterungen vor. So soll es genügen, wenn die Mehrheit, der sich äußernden Gesellschafter formlos in die schriftliche Abgabe der Stimmen einwilligt und sodann die Mehrheit der in Textform abgegebenen Stimmen ihre Zustimmung zu der betreffenden Bestimmung erteilt.

3. Personengesellschaften (Gesellschaft bürgerlichen Rechts, offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft)

Für Personengesellschaften enthält das COVMG keine Sonderregelungen.

Im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften, wie der Aktiengesellschaft und der GmbH, sieht das Gesetz für Personengesellschaften aber keine Pflicht vor, Gesellschafterbeschlüsse in Gesellschafterversammlungen in Präsenz zu fassen. Vielmehr ist das Zustandekommen von Gesellschafterbeschlüssen in jeder beliebigen Form möglich, mithin auch in einer virtuellen Gesellschafterversammlung.

Vorsicht ist jedoch geboten, sofern der Gesellschaftsvertrag eine Regelung enthält, dass Gesellschafterbeschlüsse in Gesellschafterversammlungen zu fassen sind, dann ist im Einzelfall anhand des Gesellschaftsvertrags zu prüfen, ob mit Einverständnis der Gesellschafter eine virtuelle Gesellschafterversammlung abgehalten werden kann.

B. Was gilt es bei der Vorbereitung und Durchführung der virtuellen Gesellschafterversammlung zu beachten?

1. Aktiengesellschaft

Das COVMG erlaubt lediglich den Ausschluss der Aktionäre von einer Präsenzhauptversammlung. Der Vorstand, der Aufsichtsrat, der Abschlussprüfer, der Versammlungsleiter und der beurkundende Notar haben weiterhin das Recht, in Präsenz an der Hauptversammlung teilzunehmen.

Der Vorstand darf nach pflichtgemäßen, freien Ermessen verlangen, dass Fragen bis spätestens einen Tag vor der Hauptversammlung einzureichen sind. Bei der Beantwortung der Fragen, wird dem Vorstand ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, in dem er entscheiden kann, wie er die Fragen beantwortet.

Den Aktionären muss in der virtuellen Hauptversammlung kein allgemeines Rederecht eingeräumt werden, dies sieht das COVMG nicht zwingend vor. Es bleibt gleichwohl dem Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates überlassen, ob er den Aktionären weitergehende Rechte einräumt, als das COVMG es als Mindeststandard vorsieht.

Mit dem COVMG wurde ein weitreichender Anfechtungsausschluss bewirkt. Es soll verhindert werden, dass die Möglichkeit eine virtuelle Hauptversammlung abzuhalten aus Sorge vor Anfechtungsklagen nicht wahrgenommen wird.

2. GmbH

Nachdem im Rahmen des COVMG für die GmbH keine klaren Regelungen für die Beschlussfassung in der virtuellen Gesellschafterversammlung geschaffen wurden, sollten GmbH-Satzungen überprüft werden, ob sie die Möglichkeit vorsehen, Gesellschafterversammlungen elektronisch einzuberufen und virtuell durchzuführen bzw. Beschlüsse elektronisch oder im Umlaufverfahren zu fassen. Erleichterungen für Umlaufbeschlüsse sieht das COVMG allerdings vor.

Sind Regelungen für die virtuelle Durchführung von Gesellschafterversammlungen im Gesellschaftsvertrag nicht enthalten, sollten entsprechende Regelungen in die Satzung aufgenommen werden, um hier künftig rechtssicher agieren zu können.

Den Gesellschaften mit beschränkter Haftung wird bei der Ausgestaltung der gesellschaftsvertraglichen Regelungen zur virtuellen Hauptversammlung weitgehende Freiheit eingeräumt. Es gilt die Verfahrensweise nach dem Gesellschaftsvertrag einzuhalten. Ein Protokoll der virtuellen Gesellschafterversammlung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, sollte aus Gründen der Rechtssicherheit aber erstellt werden.

3. Personengesellschaften

Da das Gesetz für Beschlussfassungen in Personengesellschaften Formfreiheit vorsieht, sind die Gesellschafter in der Abhaltung der virtuellen Gesellschafterversammlung ungebunden. Sofern der Gesellschaftsvertrag eine bestimmte Verfahrensweise vorschreibt, ist diese einzuhalten.

C. Fazit

Das COVMG bietet keine dauerhafte Eröffnung der virtuellen Gesellschafterversammlung. Sofern das COVMG nicht über den 31. August 2022 verlängert wird, bleibt es an der jeweiligen Gesellschaft, die rechtlichen Voraussetzungen einer virtuellen Gesellschafterversammlung zu schaffen. Dies gilt umso mehr für Rechtsformen, bei denen das COVMG keine virtuelle Gesellschafterversammlungen erleichtert.

Bei der rechtlichen Ausgestaltung sollten die Interessen der Gesellschaft wie auch der Gesellschafter in Einklang gebracht werden. Virtuelle Versammlungen von Gesellschaftern bergen die Gefahr von spürbaren Einschränkungen der Gesellschafterrechte, da ein interaktiver Meinungsaustausch in aller Regel kaum stattfindet. Viele Gesellschafter scheuen sich, Fragen virtuell zu stellen, die sie in Präsenz wahrscheinlich gestellt hätten. Hierdurch entwickelt sich die Gesellschafterversammlung – leider oft – zu einem zähen Monolog der Geschäftsführung.

Dennoch sind die Vorteile einer virtuellen Gesellschafterversammlung nicht von der Hand zu weisen. Den Gesellschaftern wird ein unkomplizierter und kostengünstiger Weg zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung geschaffen, eine langwierige Anreise zum Versammlungsort entfällt. Auch die Gesellschaft kann durch Entfall für Raummiete, Verpflegung und Anderem zusätzliche Kosten einsparen.

Wie sich Gesellschafterversammlungen nach der Corona-Pandemie entwickeln werden, bleibt abzuwarten.

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