Publikation –
12.5.2016
Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kunden möchte das Factoringunternehmen möglichst keine Ausfälle in Bezug auf werthaltige Forderungen erleiden.
Bei der Frage, welche Auswirkungen die Insolvenzeröffnung auf das Factoringverhältnis hat, ist zwischen dem Factoring-Rahmenvertrag und den einzelnen Factoringgeschäften zu differenzieren.
Zunächst führt die Insolvenzeröffnung automatisch zum Erlöschen des Factoring-Rahmenvertrages gemäß § 116 S. 1, 115 Abs. 1 InsO, da dieser als Geschäftsbesorgungsvertrag einzuordnen oder jedenfalls einem solchen insolvenzrechtlich gleichzustellen ist.
Die einzelnen Factoringgeschäfte erlöschen jedoch nicht. Insbesondere bei denjenigen Factoringgeschäften, bei denen der Factor die Forderungen bereits angekauft und bezahlt hat, stellt sich die Frage, ob dem Factor insoweit ein Aussonderungsrecht zusteht.
In diesem Zusammehang ist wiederum zwischen dem echten Factoring, bei dem der Factor die Forderung endgültig erwirbt und das Delkredererisiko übernimmt, und dem unechten Factoring zu unterscheiden, bei dem der Factor bei Uneinbringlichkeit der Forderung den Kunden rückbelasten kann.
Die Verträge beim echten Factoring sind auf den endgültigen Erwerb der einzelnen Forderungen gerichtet. Sie stellen mithin (Forderungs-)Kaufverträge dar. Inhaber der vor Insolvenzeröffnung abgetretenen und bezahlten Forderung im Falle des echten Factorings ist mithin der Factor. Er ist nicht Insolvenzgläubiger und kann die Forderung gemäß § 47 InsO aussondern.
Beim unechten Factoring hingegen ist das einzelne Geschäft als atypischer Darlehensvertrag mit Sicherungsabrede anzusehen. Nach herrschender Meinung steht dem Factor in diesem Fall lediglich ein Absonderungsrecht zu, da der Abtretung wegen der Rückbelastungsmöglichkeit des Factors im Falle der Uneinbringlichkeit der Forderung nur Sicherungscharakter beigemessen wird. Die der abgesonderten Befriedigung unterliegende Forderung gehört damit zur Insolvenzmasse. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Factor als Absonderungsberechtigte mithin sein Einziehungsrecht an den Insolvenzverwalter verloren. Dieser darf gemäß § 166 Abs. 2 InsO die Forderungen, die der Kunde zur Sicherung an den Factor abgetreten hat, verwerten und gerichtlich geltend machen.
Dies ist für den Factor insoweit unerfreulich, als er als Absonderungsberechtigter die Feststellungs- und Verwertungskosten gemäß § 171 Abs. 1 und Abs. 2 InsO zu tragen hat. Von allen einer wirksamen Abtretung und damit dem Absonderungsrecht unterliegenden Forderungen steht der Insolvenzmasse eine 4%-ige Feststellungspauschale und eine 5%-ige Verwertungspauschale zuzüglich Mehrwertsteuer zu. Im Falle höherer Verwertungskosten, z.B. infolge der Rechtsverfolgung, hat der Factor sogar die höheren, tatsächlich entstanden Verwertungskosten zuzüglich Mehrwertsteuer zu tragen.
Sowohl beim echten als auch beim unechten Factoring steht dem Insolvenzverwalter jedoch kein Wahlrecht gemäß § 103 InsO zu, wenn der Kunde die Forderung bereits abgetreten und der Factor sie bereits bezahlt hat. Beim echten Factoring ist das der Abtretung zugrunde liegende Kausalgeschäft im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits vollständig erfüllt. Der Factor hat die Forderung bereits angekauft und bezahlt. Der Kunde wiederum hat seine vertragsgemäße Leistung durch Vorausabtretung der Forderung erbracht. Diese wird der Insolvenzmasse gegenüber wirksam, wenn die Abtretungsvereinbarung vor Verfahrenseröffnung getroffen wurde und die abgetretene Forderung des Kunden gegen den Debitor vor Verfahrenseröffnung entstanden ist.
Beim unechten Factoring ist das einzelne Factoringgeschäft nach der vorzugswürdigen Auffassung ebenfalls vollständig erfüllt, wenn der Factor den Gegenwert für die Forderung zugunsten des Kunden im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits gutgeschrieben hat. Die Pflicht, die Forderung beim Debitor einzuziehen und den Sicherungseinbehalt auszukehren, stellt danach lediglich eine nachvertragliche Pflicht des Factors dar. Der Leistungserfolg ist dabei bereits in der Vorfinanzierung des Kunden zu sehen.
Wer Anzeichen dafür beobachtet, dass der Kunde in der Krise steckt, sollte also regelmäßig die Bekanntmachungen auf www.insolvenzbekanntmachunge.de abfragen, um seine Rechte in der Insolvenz geltend machen zu können.
In beiden Fällen, dem des echten und des unechten Factorings, sollte der Factor erst mit dem Insolvenzverwalter unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze absprechen, wie die Einziehung der Forderung effizient durchgeführt werden kann. Dem Leitsatz folgend: Man sollte das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist.
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht,
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Zertifizierter ESG-Officer