Neuigkeit –
17.3.2020
Verträge sind einzuhalten. Wenn die Folgen von Covid-19 (Corona) dies aber nicht erlauben: Ist das höhere Gewalt? Haftet ein Unternehmen für die nicht oder nicht rechtzeitige Erfüllung vertraglicher Leistungspflichten? Oder ist die Geschäftsgrundlage hierdurch gestört?
Sind Lieferverzögerungen oder -ausfälle höhere Gewalt (Force Majeure)?
Ob Lieferverzögerungen oder -ausfälle als höhere Gewalt angesehen werden können, hängt von der jeweiligen vertraglichen Vereinbarung und der konkreten Situation ab. Viele internationale Verträge sehen eine sogenannte Force Majeure Klausel vor. Sind in einer solchen explizit Epidemien, Seuchen, Krankheiten oder Quarantänemaßnahmen als Ausprägungen höherer Gewalt aufgeführt, so fallen die Folgen von Covid-19 (Corona) darunter. Denn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat aufgrund dessen den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Wird lediglich der Begriff der höheren Gewalt genannt und Beispiele wie Naturkatastrophen, Streiks oder kriegerische oder terroristische Auseinandersetzungen erwähnt, ist der Begriff im Lichte des restlichen Vertrags sowie weiterer Indizien auszulegen. Als höhere Gewalt ist grundsätzlich ein nicht zu vertretendes, von außen kommendes, unabwendbares und unvorhersehbares, nach Abschluss des Vertrages eintretendes Ereignis anzusehen. Es sprechen viele Argumente dafür, dass Corona auch nach dieser Definition als höhere Gewalt einzuordnen ist. Die SARS Epidemie 2003 galt für deutsche Gerichte als höhere Gewalt im Rahmen des Reiserechts.
Corona muss jedoch auch konkret dazu geführt haben, dass Leistungsverpflichtungen nicht eingehalten werden konnten. Es reicht nicht, dass etwa nur aufgrund höherer Kosten die Leistung nicht erbracht wird. Vertragliche Force Majeure Klauseln enthalten häufig eine Regelung, nach der das Leistungshindernis zu beseitigen ist, sofern dies mit einem „angemessenen wirtschaftlichen Aufwand“ möglich ist. In der Regel ist abzuwägen, ob das Interesse des Gläubigers an der Leistung schwerer wiegt als ein potenzielles Verlustgeschäft des betroffenen Unternehmens. Es hängt von den konkreten Umständen ab, ob und in welchem Umfang das betroffene Unternehmen es hinnehmen muss zu leisten, auch wenn es keinen Gewinn erzielt oder gar Verluste macht. Die Beweislast trägt regelmäßig das Unternehmen, das sich auf höhere Gewalt beruft.
Liegen diese Voraussetzungen vor, sind beide Vertragsparteien für die Dauer der Ausnahmesituation grundsätzlich sowohl von ihren Leistungspflichten als auch von etwaigen Haftung für Schadensersatz befreit.
Entfällt die Leistungspflicht, weil die Geschäftsgrundlage gestört ist?
Wurde nichts zu höherer Gewalt vereinbart, gelten die gesetzlichen Regelungen, insbesondere § 275 BGB (Unmöglichkeit) und § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage), soweit deutsches Recht für den Vertrag gilt. Im Fall der Unmöglichkeit ist der Schuldner von seiner Leistungspflicht frei. Meist wird es jedoch so sein, dass eine Leistungserbringung zwar grundsätzlich möglich wäre, aber der zu betreibende Aufwand in keinem Verhältnis zum Interesse des Gläubigers an der Leistung steht. In diesem Fall hat der Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht. Dasselbe gilt im Fall vorübergehender Unmöglichkeit. Soweit es um Äquivalenzstörungen geht, ermöglichst § 313 BGB eine Anpassung der Vertragsregelungen. Die Beweislast trägt auch hier immer der Schuldner, also das betroffene Unternehmen.
Haftet ein Unternehmen für eine nicht oder nicht rechtzeitige Erfüllung von Leistungspflichten?
Die Regeln zur Unmöglichkeit schützen nicht vor Sekundäransprüchen des Gläubigers. Hat ein Unternehmen den Leistungsausfall oder die Leistungsverzögerung zu vertreten, was zu seinen Lasten vermutet wird, haftet es für die Folgen. Um sich zu entlasten, muss das Unternehmen beweisen, alles Zumutbare getan zuhaben, um den Leistungsausfall zu verhindern. So muss rechtzeitig Vorsorge getroffen und Aufklärung betrieben werden, alternative Lieferwege, Produktionskapazitäten und Partner vorgehalten werden, um die eigene Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Wo hier die Grenzen liegen, klären letztlich die Gerichte.
Dasselbe gilt für Abnahmepflichten: Müssen Waren zurücktransportiert oder zwischengelagert werden, z.B. weil das eigene Werk geschlossen ist, so hat das Unternehmen im Zweifel auch diese Kosten zu tragen, wenn es sich nicht entlasten kann. Im Fall einer behördlichen Werksschließung ist der Nachweis mangelnden Verschuldens durchaus denkbar, bei einer freiwilligen Schließung oder Beurlaubung von Mitarbeitern dürfte dies hingegen deutlich schwerer fallen.
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