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10.5.2016

Bundesarbeitsgericht entscheidet über Nachtarbeitszuschlag

Das Bundesarbeitsgericht entschied jüngst, dass Nachtarbeitnehmern bei fehlenden tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen ein gesetzlicher Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage zustehe. Regelmäßig soll dabei ein Zuschlag in Höhe von 25% auf den Bruttostundenlohn beziehungsweise die entsprechende Anzahl freier Tage für die zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleisteten Nachtarbeitsstunden angemessen sein. Bei Dauernachtarbeit soll sich dieser Anspruch auf 30% erhöhen.

Der Kläger war Lkw-Fahrer im Pakettransportdienst bei der Beklagten. Seine Arbeitszeit begann regelmäßig um 20:00 Uhr und endet unter Einschluss von Pausenzeiten um 06:00 Uhr morgens. Die Beklagte war nicht tarifgebunden. Sie zahlte an den Kläger für die Zeit zwischen 21:00 Uhr und 06:00 Uhr einen Nachtzuschlag auf seinen Stundenlohn in Höhe von zuletzt 20%. Mit seiner Klage begehrte der Arbeitnehmer die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30% vom Stundenlohn zu zahlen oder einen Freizeitausgleich von zwei Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtarbeitsstunden zu gewähren.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgeben, das LAG Hamburg hingegen stellte nur einen Anspruch in Höhe von 25% fest. Das BAG (Urteil v. 09.12.2015 – 10 AZR 423/14) gab nun der Revision des Klägers statt und entschied zu seinen Gunsten. Bestehe wie im Arbeitsverhältnis der Parteien keine tarifvertragliche Ausgleichsregelung, hätten Nachtarbeitnehmer nach § 6 Abs. 5 ArbZG einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage für die zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden. Regelmäßig sei dabei ein Zuschlag in Höhe von 25% auf den Bruttostundenlohn beziehungsweise die entsprechende Anzahl bezahlter freier Tage angemessen. Allerdings komme eine Reduzierung der Höhe des Nachtarbeitsausgleichs in Betracht, wenn während der Nachtzeit beispielweise durch Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst eine spürbar geringere Arbeitsbelastung besteht.

Umgekehrt könne eine höhere Arbeitsbelastung auch zu einem höheren Ausgleichsanspruch führen. Eine solche erhöhte Belastung liege nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen bei Dauernachtarbeit vor. In einem solchen Fall erhöhe sich der Anspruch regelmäßig auf einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30% beziehungsweise eine entsprechende Anzahl freier Tage. Da der Kläger Dauernachtarbeit erbringe, stehe ihm auch ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 30% zu, wobei entgegen der Auffassung der Beklagten ein für die Zeit zwischen 21.00 Uhr und 23.00 Uhr gezahlter Zuschlag nicht anzurechnen sei. Ebenso wenig sei die Höhe des Stundenlohns des Klägers relevant. Erkennbare Anhaltspunkte dafür, dass in diesem bereits ein anteiliger Nachtarbeitszuschlag enthalten ist, bestünden nicht.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass das BAG zwar eine Leitlinie ausgeurteilt hat, gleichzeitig aber auch weiterhin die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Fest dürfte nun stehen, dass Unternehmen mit Nachtarbeitszuschlägen in Höhe von 25% (bzw. 30% bei Dauernachtarbeit) auf der ganz sicheren Seite wären. Wie das BAG jedoch weiter ausführt kann dieser Grundbetrag aber sowohl nach oben, als auch nach unten abweichen, je nachdem wie intensiv die Arbeitsbelastung tatsächlich ist. Hierzu sollte konkret geprüft werden, inwieweit die Mitarbeiter tatsächlich (wie z.B. ein LKW-Fahrer im ausgeurteilten Fall) durchgängig beschäftigt sind, oder ob in der Schicht regelmäßig auch Zeiten vorhanden sind, in denen keine intensive Arbeitsbelastung stattfindet (das BAG hat dies mit den Begriffen „Arbeitsbereitschaft“ und „Bereitschaftsdienst“ umschrieben). Wenn also – anders als bei einem LKW-Fahrer – nicht durchgängig „gearbeitet“ werden muss, können auch Abweichungen unter die ausgeurteilten 25% durchaus gerechtfertigt sein.

Darüber hinaus ist in solchen Fällen auch interessant, welche Zuschläge die abstrakt anwendbaren Tarifverträge ausweisen. Dies ist zwar nach der Rechtsprechung des BAG nicht ohne weiteres als Richtschnur heranziehbar, allerdings ist es doch ein Indiz dafür, was in einzelnen Branchen „üblich“ ist – mit den geschilderten Möglichkeiten der Abweichung nach unten (und ggf. nach oben!).

Daneben besteht natürlich auch die Möglichkeit, entsprechenden Freizeitausgleich zu gewähren. Dieser müsste in einem Schichtplan allerdings separat berücksichtigt und ausgewiesen werden.


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Christian StückradChristian Stückrad

Fachanwalt für Arbeitsrecht,
Rechtsanwalt, Partner

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